Corona, Pest und Cholera –

Deutschland in Zeiten der Seuchen

Schon lange vor der Coronakrise wurde Deutschland von Seuchen geplagt. Ob bei den mittelalterlichen Pestepidemien oder beim Ausbruch der Cholera im 19. Jahrhundert – stets versuchte die Bevölkerung, sich vor Ansteckung und den verheerenden Folgen der Krankheiten zu schützen.

 

Einige der heutigen Maßnahmen und Reaktionen auf die Coronapandemie erinnern an frühere Zeiten. Zugleich führten die Ausbrüche von Seuchen bislang stets zu bedeutendem medizinischen Fortschritt. 

Mit Masken, Kräutern und Kanonen: Kampf gegen die Pest

Masken und Tücher vor dem Gesicht wurden schon im Mittelalter eingesetzt, um sich vor einer Ansteckung mit der Pest zu schützen. Damals wurde vermutet, dass die Übertragung durch Ausdünstungen der Kranken stattfindet, den sogenannten »Pesthauch«.

 

Ärzte statteten sich mit imposanten Schutzausrüstungen aus. Sie bestanden aus dunklen, bodenlangen Umhängen, deren Oberfläche mit Wachs versiegelt wurde. Aus der Gesichtshaube ragte ein gigantischer Schnabel, der mit Essigschwämmen und Kräutern, Zimt oder Gewürznelken gefüllt war. Die Mischung sollte den Pesthauch der Patienten neutralisieren.

Mittelalterlicher Pestarzt mit Schnabel-Maske

Als eine Art Schutzbrille wurde Marienglas vor den Augen getragen – jedoch nicht, um eine Infektion über die Augenschleimhaut zu verhindern, sondern um sich vor dem »bösen Blick« zu schützen, der ebenfalls als Auslöser der Pest im Verdacht stand.

 

Ergänzt wurde die Montur durch Handschuhe und einen langen Holzstock, der vermutlich der Wahrung körperlichen Abstands dienen sollte.

Die lebensgroße Nachbildung eines solchen Pestarztes ist im Märkischen Museum in Berlin zu besichtigen.

 

Es ist umstritten, inwieweit die ärztliche Einkleidung tatsächlich vor einer Infektion schützte – doch sicherlich besser als die Kanonenschüsse, die zum Zweck der Luftreinigung abgegeben wurden.

Rauchen gegen Cholera

Die Cholera, eine schwere Durchfallerkrankung, erreichte Berlin im September 1831. Auch hier war der Übertragungsweg nicht bekannt. Wie bei der Pest tippte man auf Ausdünstungen der Erkrankten (»Miasma«). Im Verdacht standen zudem direkter Körperkontakt und die Berührung infizierter Gegenstände. Auf Kanonenschüsse wurde diesmal verzichtet, stattdessen setzte man auf Räucherungen mit Chlor.

Kardamom: Während der Cholera wurde empfohlen, Kräuter wie Kardamom, Wacholder und Angelikawurzel zu kauen

Erstmals wurde der Tabakgenuss in der Öffentlichkeit erlaubt, denn auch das Rauchen erschien als gutes Mittel zum Bezwingen der Seuche.

 

Während des Kontakts mit Kranken durfte kein Speichel verschluckt werden. Besucher sollten stattdessen auf Kardamom, Angelikawurzel oder Wacholderbeeren kauen und nach der Begegnung die Hände mit Essigwasser oder Chlorkalk waschen

Maßnahmen und Verhaltensvorschriften

Im mittelalterlichen Deutschland versuchte man, die Pest durch verschiedene Maßnahmen unter Kontrolle zu bekommen. Dazu wurden Plakate mit Handlungsanweisungen an öffentlichen Plätzen angebracht. Man riet zur vorbeugenden Einnahme von Medikamenten und zu verstärkten Hygienemaßnahmen, etwa dem regelmäßigen Baden in Flüssen wie der Spree.

 

Mittels Aderlass, Brechmitteln und Einläufen sollte der Erreger aus dem Körper der Erkrankten beseitigt werden. Zusätzlich wurden die Betroffenen in Quarantäne geschickt, oftmals in Gebäude am Stadtrand. Die »Pesthäuser« markierte man zur Warnung mit einem Kreuz.

Schon damals wurden Verbote erlassen, die den heutigen Vorschriften während der Coronakrise ähneln: Öffentliche Treffen waren ebenso tabu wie das Speisen in Restaurants. Schulen wurden geschlossen, Märkte verboten, der Handel kam zum Erliegen. Hunger und Verarmung waren die Folgen.

 

Das Gebot, Trinkhallen zu schließen, wurde häufig umgangen – mit fatalen Folgen für den Verlauf der Pandemie. Auch die Flucht vieler Bewohner aus den Städten führte zur Zunahme des Infektionsgeschehens.

Zugemauertes Fenster, Symbolbild: Während der Cholera wurden die Häuser der Kranken verbarrikadiert

Die Ausbreitung der Cholera sollte durch die Minimierung sozialer Kontakte und Quarantäne verhindert werden.

 

Wohnungen und Häuser Betroffener wurden verbarrikadiert.

Gesunde Kost und verstärkte Hygienemaßnahmen galten als Mittel zur Vorbeugung.

 

 

Bereits Erkrankte wurden mit einem desinfizierenden Dampfbad behandelt, denn nach Ansicht der Mediziner bestand die wichtigste Maßnahme im Anfangsstadium der Erkrankung darin, »den Erkrankten in Schweiß zu bringen«. Unterstützt wurde diese Therapie durch die Verabreichung von Tee und Kräuterwein. Das Fieber wurde mithilfe von Chinin gesenkt. 

 

Zur Information der Öffentlichkeit über die neuesten Erkenntnisse und Vorsichtsmaßnahmen wurde eine CholeraZeitung herausgegeben. Doch sämtliche Bemühungen konnten nicht verhindern, dass die erste Cholerapandemie allein in Berlin innerhalb von sechs Monaten rund 1.500 Todesopfer forderte.

Interpretationen und Verschwörungstheorien

Schon im Mittelalter suchten Teile der Bevölkerung nach Sündenböcken für Pandemien. Während der Pest wurden jüdische Mitbürger der Brunnenvergiftung bezichtigt, wodurch eine Welle der Judenverfolgung in Gang kam. Auch Vermutungen über ungünstige planetarische Konstellationen oder »Winde« machten die Runde.

Mittelalterlicher Ziehbrunnen: Während der Cholera kam der Verdacht auf, das Wasser sei vergiftet worden

Zu Zeiten der Cholera wurde gemunkelt, die Erkrankung gleiche einer Arsenvergiftung – daher liege es nahe, dass die Reichen die Armen vergiften wollten, die Bevölkerung dezimiert werden solle und Mediziner sich an der Seuche bereichern wollten.

 

Auch ging das Gerücht um, medizinische Experimente seien in Planung, sowohl an Lebenden als auch an Toten. Das Misstrauen gegenüber Ärzten und Apothekern war so groß, dass sie schon auch mal eine Tracht Prügel einstecken mussten.

 

In Ostpreußen formierte sich ein CholeraAufstand, der sich gegen die Maßnahmen richtete.

Medizinischer Fortschritt

Erst während der dritten weltweiten Pestpandemie gelang dem Schweizer Mediziner und Bakteriologen Alexandre Yersin die Identifizierung des Erregers. Im Jahr 1894 stellte er fest, dass es sich um ein Bakterium handelt, zu dessen Namensgeber er später wurde (Yersinia pestis).

 

Im Fall der häufigsten Form der Erkrankung, der Beulenpest, wird der Erreger über Flöhe von Ratten auf Menschen übertragen. Die äußerst gefährliche Lungenpest wird tatsächlich von einer Art »Pesthauch« übertragen, nämlich durch die Tröpfcheninfektion.

 

Nach der Entdeckung des Erregers entwickelte Alexandre Yersin den ersten Impfstoff. Aufgrund der verbesserten Hygienestandards tritt die Pest heute nur noch selten auf. Zur Behandlung werden Antibiotika eingesetzt.  

Altes Mikroskop

Der Berliner Mikrobiologe Robert Koch forschte zeitlebens an Infektionskrankheiten wie Milzbrand, Tuberkulose und Cholera. Im Jahr 1883 identifizierte er den Cholera-Erreger Vibrio cholerae.

 

Doch bereits 1854 hatte der Mediziner John Snow den Zusammenhang einer Trinkwasservergiftung und einer Cholerapandemie in London erkannt.

 

Nach enger Zusammenarbeit mit dem Mikrobiologen Arthur Hill Hassall wiesen sie den Cholera‑Erreger schon vor Robert Koch nach. Dieser Umstand scheint Koch zeitlebens nicht bekannt gewesen zu sein.

 

Dessen ungeachtet war nach der Lüftung des Rätsels der Cholera‑Erkrankung klar, dass der Erreger durch hygienische Maßnahmen wie Abkochen des Wassers und Händewaschen eingedämmt werden kann.

Spuren der Seuchen in Berlin

Dass die Pest im Mittelalter als eine Strafe Gottes angesehen wurde, zeigt sich auf dem Fresko »Berliner Totentanz«. Auf dem imposanten Format von 22 Metern Breite sind sechzig Personen aller gesellschaftlichen Schichten dargestellt. Zwischen ihnen tanzt der ausgemergelte Tod. Das um 1470 entstandene Werk befindet sich im Eingangsbereich der Marienkirche in Berlin Mitte.

 

Auch die Geschichte der HeiligGeistKapelle in der Spandauer Straße reicht in die Ära des Schwarzen Todes zurück. Die Kapelle des mittelalterlichen Backsteingebäudes war einst Teil eines Spitals. Bei Ausgrabungen in den 1990er Jahren wurde auf dem ehemaligen Friedhof ein Massengrab entdeckt – ein Zeichen dafür, dass die Stadt mit der Bestattung der vielen Toten überfordert war.

 

Im Jahr 1709 schien Berlin abermals von der Pest bedroht. Der preußische König Friedrich I. reagierte sofort und ließ eine Einrichtung zur Isolierung Erkrankter erbauen. Doch Glück gehabt – die Pandemie verlief sich vor den Toren Prenzlaus und Berlin wurde von einer neuen Welle verschont. Das Gebäude jedoch blieb bestehen, wurde weiter entwickelt und später neu errichtet: Es handelt sich um den Grundpfeiler der heute weltbekannten Berliner Charité

Die Charité in Berlin


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